Künstlerkolonie Ahrenshoop

 


Die Ansiedlung von Malern und anderen Künstlern in zurückgezogener und abgeschiedener ländlicher Region ist die Voraussetzung für die Entwicklung eines Ortes zu einer Künstlerkolonie.

Die erste europäische Künstlerkolonie entwickelte sich um 1830 im französischen Barbizon im Wald von Fontainebleau in der Nähe von Paris. Eine Gruppe von jungen Malern entfloh der zunehmenden Industrialisierung der großen französischen Städte, sie einte die gemeinsame Sehnsucht nach unberührter Natur, in der sie arbeiten und vor allem, in der sie leben konnten.

Die angefertigten Arbeiten der Künstler entstanden nun nicht nur nach vorher angefertigten Skizzen im Atelier, sondern die Maler malten unter dem Eindruck der freien Natur in der Landschaft. Damit waren sie in der Lage, neben der Landschaft auch die sich wechselnde Stimmung der Landschaft im Spiel von Licht und Schatten auf ihren Bildern unmittelbar aufzunehmen und wiederzugeben. Die Natur veränderte sich in der Darstellung weg von der mystischen und idealisierten Landschaft der Romantik, deren Grundtenor die Melancholie gewesen ist, hin zur einfachen ländlichen Stille, in der die Stimmung und die Empfindung des Motivs im Vordergrund des künstlerischen Schaffens standen.

 

Auch wenn Müller-Kaempff 1892 als Gründer der Ahrenshooper Malerkolonie gilt, war er nicht der erste Maler, der die Motive dieses Ortes auf seinen Zeichnungen und Gemälden festhielt. Das kleine, verschlafene Küstendorf Ahrenshoop wurde als Ort für künstlerische Studien wahrscheinlich von einer Frau entdeckt. Der Berliner Schriftsteller und Maler Edmund Edel gilt als erster Chronist des Ahrenshooper Künstlerlebens. Im Berliner Tageblatt berichtete er bereits 1907, dass der erste Malersmann in Wirklichkeit eine Malersfrau gewesen sei. Die Berliner Malerin Eva Stort (1855-1936) hatte sich bereits um 1885 herum in Ahrenshoop für 300 Mark ein Sommerhaus gekauft. Sie lebte in Berlin und war u.a. Schülerin von Max Liebermann. Über ihr künstlerisches Schaffen in ihren frühen Ahrenshooper Jahren ist gegenwärtig nichts bekannt. Später stellte sie aber z.B. 1930 zur Großen Berliner Kunstausstellung mehrere Arbeiten aus. Bei dieser Malerin in Ahrenshoop wohnte 1885 bereits Anna Gerresheim (1852-1921).

Von Carl Malchin (1838-1923) sind die ersten datierten Bleistiftzeichnungen aus Ahrenshoop bekannt, die er 1882 fertigte. Er ließ sich nie in Ahrenshoop für längere Zeit nieder, war aber häufig dort zu Gast. Ein Aufenthalt des aus München kommenden Karl Lorenz Rettich (1841-1904) ist 1891 nachgewiesen. Auch Ludwig Dettmann (1865-1944) erarbeitete 1892 erste Studien in Ahrenshoop, 1893 stellte er das große Gemälde „Fischerkirchhof“ fertig, welches später von der Berliner Nationalgalerie erworben wurde.

 

 

    Karl Lorenz Rettich (1841-1904), „Zeesenboot vor Graal“, Öl auf Malpappe, signiert, Foto Privatbesitz

 

Erst 1892 durch den Bau seines Hauses in Ahrenshoop in der Dorfstraße Nr. 18 auf dem Grundstück seiner Wirtin Schumacher wird durch Müller-Kaempff die Künstlerkolonie Ahrenshoop begründet, und durch seine Sesshaftigkeit in Ahrenshoop und dem Bau weiterer Künstlerhäuser durch seine Malerkolleginnen und Kollegen 1892 Anna Gerresheim (1852-1921), 1894 Elisabeth von Eicken (1862-1948), 1895 Fritz Grebe (1850-1924), Hugo Richter-Lefensdorf (1854-1904), Carl Friedrich Koch (1856-1941), Hugo Jaeckel (1864- Todesdatum?) und Heinrich Schlotermann (1859-vor 1922) usw. wird die Künstlerkolonie Ahrenshoop innerhalb von 5 Jahren fundamentiert. 1897 bauen sich Friedrich Wachenhusen (1859-1925) und Martin Körte (1857-1929) ihre Häuser.

 

 

    Fritz Grebe (1850-1924), „Weidende Schafe in den Ahrenshooper Dünen“, Öl auf Malkarton, signiert, Privatbesitz

 

 

Um 1897 hatte sich die Ahrenshooper Malerkolonie herausgebildet. Gleichzeitig entwickelte sich Ahrenshoop zum Bade- und Seebad, eine Entwicklung die eigentlich die Künstler nicht gewollt hatten, da damit Ahrenshoop seinen zurückgezogenen und ruhigen Charakter mit der Ankunft von immer mehr Badegästen zunehmend verlor. Andererseits zogen die Maler aus der Anwesenheit der vielen Badegäste auch ihren Nutzen, denn Leute die zum damaligen Zeitpunkt in den Urlaub fahren konnten, hatten ebenso genügend Geld, um sich als Andenken an den Badeurlaub ein Kunstwerk mitzubringen. Damit erhöhten sie den Bekanntheitsgrad der Ahrenshooper Künstler über ihre eigentliche Malregion hinaus.

Aus der Sicht der Einheimischen waren zuerst die Maler und nachfolgend die Badegäste nicht unwillkommen, da sie den Einheimischen nach dem Niedergang der Segelschifffahrt eine neue Einnahmequelle boten.

 

Allgemeingültige Richtlinien und Statuten verband die Ahrenshooper Künstlergemeinschaft nicht. Sie einte die gemeinsame Sehnsucht nach unberührter Natur und Stille, aber auch nach fröhlicher Gemeinsamkeit. Sie verband der Drang nach künstlerischem Schaffen in der freien Natur. Nicht nur die Skizzen, auch die Gemälde entstanden überwiegend nicht im Atelier, sondern in enger Auseinandersetzung mit und in der unberührten Landschaft.

Allen Ahrenshooper Künstlern der Gründergeneration war gemeinsam, dass sie in ihren künstlerischen Auffassungen eine fehlende Modernisierung vermissen ließen. Sie arbeiteten in ihrer Ahrenshooper Isolation sicherlich sehr an der Perfektion ihres individuellen Malstils, fanden aber keinen Anschluss an den sich entwickelnden Expressionismus und an die klassische Moderne. Die Malergemeinschaft musste erkennen, dass es ihnen unmöglich war, sich von der Gesellschaft zu isolieren. So kam es, dass mit Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 die Menschen andere Sorgen hatten, als sich mit klassischer Landschaftsmalerei auseinander zu setzen. Für die Künstler der ersten Malergeneration bedeutete diese Entwicklung das rasche Ende der Ahrenshooper Künstlerkolonie, die Maler begannen nach und nach ihre Häuser zu verkaufen. Sie verließen den geliebten Ort, um nicht selber in Vergessenheit zu geraten.

 

In Ahrenshoop ist in der Zukunft ein Kunstmuseum geplant, in dem neben anderen Werken der Künstlerkolonie, auch Bilder von Müller-Kaempff in einer repräsentativen Ausstellung zu besichtigen sein werden.

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